Am Wegesrand liegt zwischen bunt blühenden Sommerblumen ein großer Findling. Er erinnert an Reimar Gilsenbach (1925–2001). Der Schriftsteller, Pazifist, Menschenrechtler, Natur- und Umweltschützer war ein geistiger Vater der Ökodorf-Idee, ein kritischer Geist und unbeugsamer Querdenker.
Eine der wichtigsten Botschaften Reimar Gilsenbachs lässt sich in drei Sätzen zusammenfassen und umreißt das ganze Dilemma unserer Zeit:
"Lassen wir die Natur unverändert, können wir nicht existieren.
Zerstören wir sie, gehen wir zugrunde.
Der schmale, sich verengende Gratweg zwischen Verändern und Zerstören
wird auf Dauer nur einer Gesellschaft gelingen,
deren Ethik sich im Einssein mit der Natur empfindet.“
(Michael Succow in seinem Vorwort zur Autobiografie Gilsenbachs)
Reimar Gilsenbach wuchs in einer anarchistischen Öko-Kommune in Hünxe am Niederrhein auf. In die Wehrmacht zwangsrekrutiert, desertierte er an der Ostfront zur Sowjetarmee, wo er kurzzeitig Mitglied einer antifaschistischen Frontgruppe war. Als er sich weigerte, sich den Kaderstrukturen unterzuordnen, geriet er jedoch bis 1948 in sowjetische Kriegsgefangenschaft.
Nach dem Krieg wurden seine Hoffnungen auf den Aufbau der DDR als sozialistischen Staat bald zunichte gemacht. Seine Stellung als Journalist bei der Sächsischen Zeitung verlor er wegen
Diskrepanzen zum Stalinschen Sozialismusmodell. Auch sein Engagement für Natur und Umwelt sowie für die Sinti und Roma stieß auf wenig Gegenliebe beim Staatsapparat und ließ ihn bald zum
Dissidenten werden.
Im Jahr 1975 zog er nach Brodowin und begründete dort 1981 die „Brodowiner Gespräche“. Zu diesen regelmäßigen Treffen von Naturschützern, Wissenschaftlern, Schriftstellern und Künstlern kamen
viele herausragende Persönlichkeiten, etwa Schriftsteller wie Daniela Dahn und Richard Pietraß sowie Michael Succow, Matthias Freude, Lebrecht Jeschke und Hans-Dieter Knapp, die später gemeinsam
das Nationalparkprogramm der letzten DDR-Regierung erarbeiteten. Von diesem Kreis gingen wichtige Impulse für die spätere Gründung des Ökodorfes und des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin
insgesamt aus.
Reimar Gilsenbach blieb auch nach der Wende bei seiner kritischen Haltung und stritt für bedrohte Naturvölker weltweit ebenso wie für die heimische Natur.
Gegenüber dem Gilsenbachstein, nördlich des Weges in Richtung Brodowinsee, ist in einer Mulde zwischen Hügeln ein flaches Kleingewässer mit üppiger Verlandungsvegetation zu sehen, das „Seefelds Bruch“. Es gehört zu den wichtigsten Amphibiengewässern der Brodowiner Landschaft und des FFH-Schutzgebietes Brodowin-Oderberg. Von etwa Mitte April bis weit in den Juni sind besonders nachts die lautstarken Rufchöre der Laubfrösche mit ihrem rauen „rräpp-rräpp-rräpp“ unüberhörbar.
An warmen, windstillen Frühlingsabenden legt sich zudem ein wohltönender Klangteppich aus den melancholischen Rufen der Rotbauchunken über die Landschaft, die von Seefelds Bruch bis in die
Brodowiner Dorfmitte zu hören sind. Aber auch tagsüber kann man vom Weg aus vereinzelt die Unkenrufe vernehmen. Sie klingen wie der in regelmäßigen Abständen wiederholte erste Ton des
Kuckucksrufes. Die europaweit gefährdete und besonders geschützte Rotbauchunke hat im Biosphärenreservat eine ihrer größten Vorkommen in Deutschland und ist in günstigen Jahren an über 2.000
Kleingewässern zu finden.
Aus den hohen Röhrichtbeständen ist im Mai und Juni das lautstarke, raue „karre-karre kiet kiet“ des Drosselrohrsängers zu hören. Auf der nahrungsreichen Wasserfläche ziehen Wasservogelarten wie
Zwergtaucher, Höckerschwan, Graugans, Schnatterente, Schellente und Blesshuhn ihre Jungen auf. Auch für Libellen ist Seefelds Bruch ein wichtiges Fortpflanzungsgewässer.
Auf dem steilen Hügel „Seefelds Berg“ östlich von Seefelds Bruch versteckt sich ein besonderer Schatz, der vom Kossätenweg aus nur Ende Mai und nur mit dem Fernglas zu entdecken ist: blühende Sommer- Adonisröschen (Adonis aestivalis).
Dieses Vorkommen hat eine besondere Geschichte: Noch in den 1960er Jahren war dieser schöne Vertreter der Ackerbegleitflora in Ostbrandenburg, der Uckermark und wohl auch in Brodowin recht
verbreitet. Seefelds Berg war zumindest bis in die 1950er Jahre beackert, wurde dann aber in Grünland umgewandelt – das Sommer-Adonisröschen verschwand, denn es wächst nur auf Äckern.
Erst in den 1990er Jahren wurde die Fläche wieder als Acker genutzt. Und siehe da: Die Ackernutzung hat die seit Jahrzehnten im Boden ruhenden Samen des Sommeradonis „wachgeküsst“. Tausende
Adonisröschen begannen plötzlich wieder im Getreide zu blühen. Eine Sensation! Denn inzwischen war die Art in Brandenburg infolge der intensiven Landwirtschaft fast ausgestorben. Das Vorkommen
auf Seefelds Berg ist heute eines von nur noch zwei in Brandenburg – und von den beiden das größere!
Wäre die Fläche konventionell bewirtschaftet worden, hätten Herbizide die erwachenden Adonisröschen unbemerkt im Keim getötet. Da der Ökolandbau jedoch auf chemische Pflanzenschutzmittel
verzichtet, konnten sich die Adonisröschen wieder entfalten. In den letzten Jahren wurden die Samen auch auf anderen nahe gelegenen Kalkäckern ausgebracht, wo sie dank des Ökolandbaus jetzt
wieder eine Überlebenschance haben.
Seefelds Berg wird heute zeitweise als Grünland und zeitweise als Acker genutzt. Während der Grünlandphase schlummern die Adonisröschen-Samen im Boden – bis die Fläche wieder mit Wintergetreide
bestellt wird und sie wieder keimen und blühen können.